Es ist nicht unfassbar überraschend, dass das Wissen um Potenziale erst die Möglichkeit des Verbesserns schafft. In privaten Beziehungen, in der persönlichen Weiterentwicklung und im Beruf ist das nichts Neues. Nur wer weiß, was er noch nicht so toll macht, kann sich Ziele setzen und diese mit Einsatz und Engagement erreichen. In diesen Kontexten sieht eigentlich kaum jemand darin etwas Verwerfliches – im Gegenteil, Selbstoptimieren ist in den vergangenen Jahren ein Trend, der seinesgleichen sucht. Wir fragen uns, warum wir das Eingestehen von Schwächen allerdings bei einer großen Anzahl an Arbeitgebern vergeblich suchen. Was würde denn passieren, wenn die Unternehmen offen mit ihren Entwicklungspotenzialen umgingen? Richtig eingetütet… – genau, nur Positives.
Intern sind viele Arbeitgeber bereits soweit, dass sie in Workshops und Umfragen wirklich ehrliches Feedback ihrer Mitarbeitenden einfordern. Sie haben verstanden, dass sie nur so Optimierungspotenziale entdecken und diese für sich nutzen können – um mit später verbesserten Voraussetzungen im Unternehmen die bestehenden Mitarbeitenden langfristig zu binden und ggf. neue, externe Zielgruppen auf sich aufmerksam machen zu können. Doch diese Prozesse und Entwicklungen nach außen kommunizieren?! „Nee, lieber nicht. Was sollen denn die Leute von uns denken??!“ 😊Oftmals stellt es die Unternehmen schon in der internen Kommunikation vor eine große Herausforderung, die Ergebnisse aus Workshops und Umfragen zu teilen und Aktionen bzw. Aufgaben daraus abzuleiten.
Doch warum ist das so? Die logische Erklärung: Angst. Angst vor dem Zugeben von Schwäche, die Angst vor dem gemeinen Flurfunk im Unternehmen, die Angst vor dem Irrglauben, dass sich die Menschen vom Arbeitgeber abwenden, wenn dieser Schwächen kommuniziert. Natürlich könnte es sein, dass sich einzelne Mitarbeitende emotional vom Unternehmen distanzieren, wenn sie die Probleme in Prozessen, Kultur und Strategie schwarz auf weiß vor die Nase geführt werden. Aber: Genau die Mitarbeitenden sehen die Probleme im Unternehmen doch sowieso jeden Tag. Wären ihnen die Potenziale nicht bewusst, könnten sie sie auch nicht in Workshops oder Umfragen reflektieren. Insofern: was könnte denn schlimmstenfalls passieren? Wir behaupten: nichts, was nicht auch ohne Umfrage o.ä. passieren würde. Hat ein Mitarbeitender mit dem Arbeitgeber abgeschlossen, geht er ohnehin, wenn sich ihm die Möglichkeit dazu bietet. Das Totschweigen von Herausforderungen wird ihn nicht halten. Im Gegenteil.
Das Teilen von Schwächen erhöht die Beziehungskraft und das Vertrauen zueinander. Machen wir uns verletzlich und zeigen, dass wir nicht perfekt sind und keine Maschinen, sondern Menschen oder Organisationen, die aus Menschen bestehen und von ihnen gemacht werden; wenn wir zeigen, dass wir Fehler machen, wie jeder andere auch, kann sich das Gegenüber mit uns identifizieren. Somit ist die Grundlage für Vertrauen und eine starke Beziehungskraft gelegt.
Nur durch das Eingestehen und Verstehen der eigenen Schwächen können wir die Stärken einschätzen und in ein passendes Verhältnis zueinander setzen. Das gilt in der Markenbildung genauso, wie für Mitarbeitende und KandidatInnen in der (sich anbahnenden) Zusammenarbeit. Wenn wir Workshops durchführen, fragen wir bewusst auch nach den Schwächen beim Arbeitgeber – wenngleich unser Fokus auf den gemeinsamen Stärken als Basis für die Arbeitgebermarke liegt. Aber durch die oftmals kleinen, negativen Dinge, die jede/r im Unternehmen im Alltag erlebt, bekommen wir die Möglichkeit, die Stärken besser einschätzen zu können und deren potenzielles Gewicht in der späteren Kommunikation überhaupt beurteilen zu können.
Und das ist in Ordnung so. In welchem Unternehmen läuft schon alles perfekt?! Welche Mitarbeitenden machen denn niemals Fehler, welche Führungskräfte entscheiden immer richtig? Diese Erwartungshaltung ist unrealistisch und schlicht nicht zu befriedigen. Was ist also der bessere Weg?
So einfach ist das. Es klang eingangs schon an, hier nochmal ausführlicher: Nur wer weiß, was nicht rund läuft, kann die Dinge anpacken und optimieren. Das Leben und Unternehmensperformances sind ein stetiger Wandel (siehe auch Blog „Der Wandel ist die neue Konstante.“) Handlungsfelder werden wir nur identifizieren können, wenn wir genau wissen, was die Mitarbeitenden zu bemängeln haben. Arbeitet der Arbeitgeber aktiv daran, diese Mängel für ein besseres Arbeitsumfeld zu beseitigen, führt das zu einer Verbesserung für alle. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber sich aktiv mit den Dingen auseinandersetzt, anstatt sie totzuschweigen, bewirkt einiges Positives für die Unternehmenskultur. Das werden auch die Mitarbeitenden bemerken und sicherlich honorieren – was sich garantiert auf ihre Zufriedenheit, Motivation und Produktivität auswirkt.
Indem ein Arbeitgeber offen über seine Schwächen und Potenziale spricht, zeigt er Authentizität und Ehrlichkeit. Dies kann dazu beitragen, dass potenzielle Mitarbeitende das Unternehmen als vertrauenswürdig und authentisch wahrnehmen. Zudem liefert die Ehrlichkeit auch Entlastung und Stressabbau für den Arbeitgeber: der (meist sinnlose) Versuch des Verbergens von Schwächen ist stressig und führt zu einem Gefühl der Unauthentizität. Indem man Schwächen zugibt, entlastet man den Arbeitgeber selbst von diesem Druck und kann sich offener und entspannter ans Werk machen, um die Dinge abzustellen. Zudem zeigt ein solcher Arbeitgeber ganz klar Transparenz. Diese Eigenschaft schätzen sowohl bestehende als auch potenzielle Mitarbeitende. Transparenz trägt natürlich dazu bei, eine positive Atmosphäre zu schaffen, die auf Vertrauen und Offenheit basiert.
Ein ehrliches Darstellen von Herausforderungen trägt dazu bei, Talente anzusprechen die sich von den angebotenen Entwicklungsmöglichkeiten und der offenen Kultur des Unternehmens angezogen fühlen. Menschen, die sich ihrer eigenen Schwächen bewusst sind und an einer gemeinsamen Entwicklung interessiert sind, fühlen sich von solchen Arbeitgebern eher angezogen. Unternehmen, die sich kontinuierlich verbessern und an ihren Schwächen arbeiten, werden für potenzielle Bewerbende attraktiver. Das Image des Unternehmens als lernende Organisation, die bereit ist, Schwächen anzuerkennen und zu optimieren, ist besonders für Talente attraktiv, die nach Entwicklungsmöglichkeiten und einem unterstützenden Arbeitsumfeld suchen.
Durch das Auseinandersetzen mit Schwächen und das kontinuierliche Verbessern legt ein Arbeitgeber den Grundstein für langfristigen Erfolg. Indem er sich an Veränderungen und Herausforderungen anpasst und sich weiterentwickelt, kann das Unternehmen resilienter gegenüber neuen (kritischen?) Situationen sein und sich besser an die sich wandelnden Bedürfnisse des Marktes anpassen.
Um das ganz klar abschließend zu formulieren: Natürlich hilft das Zugeben von Schwächen allein gar nichts und kann tatsächlich gefährlich werden. Das oben beschriebene Erfolgsrezept geht nur auf, wenn gleichzeitig ein unbändiger Wille zur Verbesserung da ist und mit einem klaren Plan zur Bewältigung dieser Schwächen einhergeht. Außerdem muss die Kommunikation von Schwächen in einem kontextuellen Rahmen erfolgen, der ebenfalls die Stärken und positiven Aspekte des Unternehmens nicht vernachlässigt.
Alles andere ist sonst höchst dramatisch und wird tatsächlich dazu führen, dass sich die Mitarbeitenden vom Unternehmen bzw. Arbeitgeber abwenden. Hier ist natürlich Vorsicht geboten. Aber in der richtigen Kombination kann die Kommunikation von Schwächen ein Katalysator in der Mitarbeiterbindung sein. Wenn ein Arbeitgeber an seinen Schwächen arbeitet und sich darum bemüht, zeigt dies den Mitarbeitenden, dass er ihre Bedürfnisse und Anliegen ernstnimmt. Dies stärkt die Bindung der Menschen an das Unternehmen und senkt die Fluktuationsrate.