In Zeiten, in denen Human Resources und Marketing nicht mehr nur über ein theoretisches Wort (Employer Branding) verbunden sind, sondern auch sichtbar professionalisiert im Mittelstand betrieben werden, stoßen wir nun auf neue Hürden. Bewerber misstrauen den perfekt ausgeleuchteten und hergerichteten Mitarbeitern, die vor die Kamera gezerrt werden. Und geben somit dem Arbeitgeber eine Watschn: werblich, unauthentisch und langweilig! Auf den Punkt gebracht: nicht glaubhaft.
Hat die sinnvoll klingende Employer-Branding-Strategie „Mitarbeiter als Markenbotschafter“ damit ausgedient?
Mitnichten. Aber: Wir stehen vor einem Neuanfang. HR-Kommunikation muss jetzt das nächste Level erreichen. Es ist an der Zeit, auf die Stimmen zu hören, die sich immer lauter über geskriptete Wahrheiten beschweren. Liebe Arbeitgeber, habt Mut und zeigt auch Eure kleinen Schönheitsfehler. Niemand ist perfekt. Das wisst Ihr und das wissen Eure Mitarbeiter, egal ob bestehend oder zukünftig. Diese wahren Einblicke bringen das zum Vorschein, was hinter der ganzen professionalisierten Maschinerie zu verschwinden droht: Eure Menschlichkeit.
Warum steht das goldene Konzept „Mitarbeiter als Markenbotschafter“ plötzlich auf dem Prüfstand? Zu Beginn der vor etlichen Jahren notwendig gewordenen Arbeitgeberkommunikation konnte sich ein Arbeitgeber noch allein dadurch einzigartig positionieren und vom Wettbewerb abheben, wenn er überhaupt ein Auftreten als Arbeitgeber hatte. Die Candidate Journey war noch geradliniger und weniger von Störfeuern unterbrochen, als es heute der Fall ist. Und ein Mitarbeitervideo trug maßgeblich dazu bei, dass der Bewerber ein (gutes) Gefühl für seinen zukünftigen Arbeitsplatz bekam. Endlich gab es echte Einblicke in die Welt des zukünftigen Jobs.
Nein. Solche Videos können noch immer funktionieren. Dennoch: Die Anforderungen an erfolgreiche HR-Kommunikation haben sich grundlegend verändert. Denn: Jetzt, wo jedes Unternehmen, das etwas auf sich hält, verstanden hat, dass es mehr braucht als Stellenanzeigen, um potenzielle Bewerber davon zu überzeugen, sich bei ihnen zu bewerben. Und jetzt, wo Mitarbeiter rekrutiert werden, die „echt und glaubwürdig“ über die Arbeitskultur und den Teamzusammenhalt ihres Arbeitgebers schwärmen. Spätestens jetzt gewöhnen sich Bewerber zunehmend an die Kommunikationskultur dieser Unternehmen, die mal mehr mal weniger erfolgreich externes Employer Branding betreiben.
Social Media, Bewertungsplattformen und das digitale (und natürlich auch analoge) Netzwerken ermöglichen es zudem viel leichter, hinter die Kulissen der vermeintlich glanzvollen Arbeitgeber-Fassade zu schauen. Schwarze Schafe werden sehr schnell entlarvt. Kandidaten sind feinfühlig geworden. Sie wissen sehr gut zu unterscheiden, ob sie gerade einen „Werbespot“ sehen oder einen wahren Einblick in das Wesen des Arbeitgebers erhalten.
So hat die von Talents Connect veranlasste Befragung von 2018 unter 1010 Bewerbern aufgezeigt, dass 80 % der Bewerber Mitarbeiterstatements als zu werblich und austauschbar empfinden. Die vermutlichen Gründe lassen sich leicht aufzählen: Professionell produzierte Hochglanz-Imagefilme, in denen Mitarbeiter nach Skript den Arbeitgeber in den höchsten Tönen loben. Zitate, die sich zu perfekt lesen, als dass sie echt sein könnten. Karriereleitern und Lebensläufe, die so fernab jeder Realität sind, dass sich ein Bewerber kaum damit identifizieren kann. Eine Bildsprache, die zu werblich und austauschbar geworden ist.
Auf der Strecke, möchte man antworten. Die Echtheit verschwindet dort, wo Arbeitgeber glauben, dass sie immer lauter rufen müssen, um gehört zu werden. Wo die Annahme überwiegt, dass eine coole Idee besser ist als das echte und auch ungeschminkte (im wahrsten Sinne) Leben und Arbeiten in diesem Hause. Und damit schließt sich der Kreis: Wer um seine wahre Identität weiß und sich seiner selbst bewusst ist, der kann seinen Mitarbeitern auch das volle Vertrauen schenken und sie frei zu Wort kommen lassen. Dann – und nur dann – wird das Konzept „Mitarbeiter als Markenbotschafter“ seine volle Kraft entfalten können. Denn: Die Kandidaten da draußen werden erkennen, wer ihnen etwas vorgaukelt und wer sie wirklich ins Unternehmen blicken lässt. Und dann liegt es auf der Hand, bei wem sie sich wirklich bewerben.