Authentisch sein als Arbeitgeber - aber wie?

Die Bertelsmann Stiftung hat Mitte Januar 2021 das bestätigt, was wir bereits vermuteten: → auch 2021 wird es einen Fachkräfteengpass geben. Trotz Corona. Gegenüber 2020 gibt es lediglich ein Prozentpunkt weniger Unternehmen (nun 54%), die den Engpass auch für 2021 erwarten. Sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, gehört nach wie vor zu den wichtigsten Aufgaben, um auf dem Arbeitnehmermarkt bestehen zu können.

Arbeitgeber sind gefordert. Sie müssen gegen den Wettbewerb antreten, der auch nicht schläft, müssen die Mitarbeitenden weiterhin bei sich behalten und neue Talente von sich überzeugen. Und das sollen sie tun, indem sie attraktive Vorteile bieten, ihre Vision und Werte aufzeigen, mit denen sie sich von allen anderen relevanten Unternehmen abgrenzen können und eine Kultur leben, die ihren Mitarbeitenden entspricht. Und das bitte schön: ganz echt. Ganz authentisch.

Aber woher weiß man, was eigentlich authentisch für den eigenen Arbeitgeber bedeutet? Und wie kommt man zu einer wahren Arbeitgebermarke und einer glaubwürdigen Kommunikation?

Was bedeutet Authentizität - eine Begriffsklärung

Beschäftigen wir uns einen Moment mit dem Wort Authentizität. Es kommt aus dem Griechischen und bedeutet „echt“. Konkret: wenn der äußere Schein mit dem eigentlichen Sein wie eine Schablone übereinander passt. Authentisch sein steht im Gegensatz zu „gekünstelt“, falsch, aufgesetzt, eben unecht. Eine Menge Begriffe, von denen wir uns als Menschen distanzieren. Keiner möchte sich mit ihnen identifizieren.

Authentische Menschen dagegen sind in unserer Wahrnehmung glaubwürdig, offen, zuverlässig. Sie tun, was sie sagen und lassen sich nicht verbiegen. Sie sind ganz natürlich. Wie oft haben wir bewundernde Sätze wie „er / sie ist so authentisch“ gehört oder gesagt? Authentizität ist ein Wert, dem wir näher sein wollen. Mit solchen Menschen möchten wir uns umgeben.

Müssen Arbeitgeber zwingend authentisch sein?

Warum sollte das bei Arbeitgebern anders sein? Wer würde von sich selbst behaupten, gerne für ein unehrliches oder aufgesetztes Unternehmen arbeiten zu wollen? Genau.

Jetzt dürfte es vermutlich Jemanden geben, der oder die argumentiert, dass das eigene Unternehmen aber ordentlich auf den Putz hauen muss, um Kandidat:innen von sich selbst zu überzeugen. „Nur“ authentisch aufzutreten wird nicht ausreichen, um gegen den Wettbewerb zu bestehen.

Eine verständliche, aber ganz gefährliche Sichtweise, der wir entschieden entgegentreten. Nehmen wir einmal an, ein Unternehmen lässt sich eine Rekrutierungskampagne basteln, die mal „so richtig ansprechend“ ist. Wir erfahren die tollsten Geschichten (die – najaaaa – nicht ganz so stattgefunden haben), sehen lachende Teams in lichtdurchfluteten Arbeitsräumen und lernen eine Arbeitskultur kennen, die keine Wünsche offen lässt. Ein Arbeitgeber vermeintlich ohne Ecken und Kanten, bei dem die Mitarbeitenden mit einem Lächeln morgens in die Arbeit schweben und glückselig und erfüllt abends aus der Unternehmenstür nach Hause spazieren.

Die Personalabteilung kann sich kaum vor Bewerbungen retten, denn alle wollen in dieser magischen Umgebung arbeiten. Und dann gehen ein paar Monate ins Land. Der neue Mitarbeiter Paul und seine ebenfalls neue Kollegin Paula stellen fest, dass die lachenden Kolleg:innen aus der Personalwerbung gar nicht hier arbeiten, die lichtdurchfluteten Arbeitsräume lediglich dem Vorstand vorbehalten sind und die Menschen hier gar nicht sooo glücklich aussehen, wie die Kampagne versprochen hatte. Obendrein entspricht die Arbeitsweise hier nicht der, die sie erwartet haben. Es gibt mehr Hierarchien (oder weniger), andere Führungsrichtlinien, weniger Individualität (oder mehr) … Und Paul und Paula kündigen.

Jetzt muss das Unternehmen nachbesetzen, was Ressourcen, Zeit und vor allem Wissensverlust nach sich zieht.

Wir haben übertrieben, sagen Sie. Haben wir schon so erlebt, sagen wir. Und bestehen auf dem Wert Authentizität als obligatorischen Bestandteil einer überzeugenden Employer Brand.

Was heißt authentisch sein für mich als Arbeitgeber konkret?

Die Antwort auf diese Frage ist so individuell, wie die Menschen und Unternehmen selbst. Denn Authentizität steht und fällt mit den gelebten Werten und der Kultur im Unternehmen. Ein paar Beispiele, die zeigen, wie Sie es nicht machen sollten:

Ein Unternehmen, das immer im Konsens aller Beteiligten Entscheidungen trifft, in dem Teamarbeit bedeutet, dass es keine Einzelbüros gibt, man projektweise in wechselnden Teams Ziele verfolgt und gemeinsame Kochabende veranstaltet, verwendet ausschließlich Bildmotive in der Kommunikation, auf denen nur Einzelpersonen zu sehen sind.

Ein anderes Unternehmen fordert seine Mitarbeiter nachdrücklich auf, sich in den sozialen Medien positiv über das Arbeitsleben zu äußern und verbindet dies mit einer Belohnung. Hier sind unauthentische Inhalte vorprogrammiert.

Ein traditionelles Familienunternehmen aus einer konservativen Branche mit festen Strukturen und einer Mitarbeiterschaft, die eine starke Führung wünscht, sucht Nachwuchs mit einem vom Geschäftsführer-Team veranstalteten Tanz, der „viral“ gehen soll.

Was Authentizität also in keinem Fall bedeutet:

  • Mitarbeiter zu Dingen überreden, die sie nicht aus sich selbst heraus möchten
  • auswendig gelernte Phrasen dreschen
  • sich verstellen, weil man das eben so macht

Wie Sie zu Ihrem authentischen Arbeitgeberauftritt kommen.

Authentizität erreicht man, wenn man a.) sich selbst und die Menschen versteht, mit denen man interagieren möchte, b.) die eigene Identität auf den Punkt bringt und c.) diese lebt.

a. sich selbst und die Menschen verstehen

Analysieren Sie sich als Arbeitgeber detailliert. Das tun Sie am besten mit der Hilfe Ihrer Mitarbeiter. Finden Sie Ihre Stärken, Schwächen, Ihre Werte und Ihre Vision als Arbeitgeber heraus, in dem Sie sich diese Fragen stellen:

  • Was können wir besser als unser Wettbewerb, worauf sind wir also besonders stolz?
  • Wenn unser Arbeitgeber ein Mensch wäre, wie wäre das Unternehmen zu charakterisieren?
  • Was bieten wir unseren Mitarbeitenden, damit sie gerne bestmöglich ihrer Arbeit nachgehen können?
  • Wie und wo wollen wir gegenüber neuen Mitarbeitenden auftreten?

Lernen Sie zudem Ihre Zielgruppen genau kennen. Welche Einstellungen, Erwartungen und Bedürfnisse haben sie? Analysieren Sie, über welche Kanäle Sie Ihre Zielgruppen (intern sowie extern) am effektivsten erreichen können. Welche Maßnahmen haben das größte Potential, um sich authentisch als Arbeitgeber darstellen zu können?

Nur wer den Feind kennt, kann ihn besiegen. Damit wollen wir nicht andeuten, dass Ihr Wettbewerb Ihr Feind ist. Dennoch sollten Sie diese Unternehmen genau kennen, um sich von ihnen abgrenzen zu können. Setzen Sie dafür die Kandidatenbrille auf und schauen Sie genau hin: welche Stärken und welche Schwächen sind erkennbar?

b. die eigene Identität auf den Punkt bringen

Die in a.) erworbenen Informationen sind jetzt Gold wert. Denn jetzt kennen Sie die eigenen Werte und den besonderen Charakter, den das Unternehmen ausmacht. Der fokussierte Blick nach innen und das Wissen um die Anforderungen von außen (Zielgruppen und Wettbewerb) bieten Ihnen nun die Möglichkeit, Ihre individuelle Positionierung zu formulieren. In der EVP (Employer Value Proposition) formulieren Sie das einzigartige Arbeitgeberversprechen und pointieren es durch Ihren Arbeitgeberclaim. Zusammen mit den zielgruppenspezifischen Kernbotschaften haben Sie somit Ihre Arbeitgebermarke entwickelt.

Aus dem tiefsten Inneren des Arbeitgeberbauches heraus. Zusammen mit den Menschen, die jeden Tag dieses Versprechen (er)leben. Ganz natürlich, ganz echt und ganz wahr.

c. die Identität leben

Das Leben der Identität nach innen wird Ihnen leichter fallen. Denn es folgt ja dem, was Sie ohnehin leben. Ziehen Sie Rückschlüsse aus den Erkenntnissen aus Schritt a. und justieren Sie an der ein oder anderen Stelle nach. Konzentrieren Sie sich auf die Stärken und merzen Sie die Schwächen aus. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeitenden sich bestätigt fühlen in dem, was sie gemeinsam erarbeitet haben. Tun Sie, was Sie sagen.

Und für die Kommunikation mit Zielgruppen außerhalb Ihres Unternehmens gilt: sagen Sie, was Sie tun. Sie haben nun alles Wissen in der Hand, um ein konkretes „Bild“ von sich selbst als Arbeitgeber zeichnen zu können. Und das meinen wir tatsächlich wörtlich. Definieren Sie, welche Bildsprache und welche Wortwahl Ihre Identität am besten verdeutlicht. Legen Sie fest, welche Botschaften Sie ganz konkret an welche Zielgruppen senden möchten. Bestimmen Sie die erfolgversprechenden Kanäle und Maßnahmen und seien Sie bei Ihren Zielgruppen ansprechbar und präsent. Sie wissen ja jetzt, was Sie erzählen können.

Fazit

Menschen sind dann besonders anziehend, wenn sie echt sind und man immer weiß, woran man ist und was man erwarten kann. Dasselbe gilt auch für Arbeitgeber. Wenn Ihre Rekrutierungsmaßnahmen also nicht wie ein Magnet funktionieren oder Mitarbeitende nicht lange an Bord bleiben, fragen Sie sich, ob es daran liegen könnte, dass die Kommunikation nicht glaubwürdig ist.

Wir sagen nicht, dass es nur einen Fingerschnips benötigt, um als Arbeitgeber authentisch auftreten zu können. Wir sagen aber, dass es einen Weg dahin gibt. Und dass jedes Unternehmen diesen Weg beschreiten kann. Und sollte. Der Wert Authentizität mag sich zwar in den Zeiten der digitalen Sichtbarkeit überbeansprucht anfühlen, aber er siegt. Immer.